Skulpturen in der Galerie Reinisch Contemporary
Eröffnung: Montag, 24. September 2018, 19.00 Uhr
Hauptplatz 6, 8010 Graz
Einführung: Günther Holler-Schuster
Die Galerie Reinisch Contemporary widmet sich in der Ausstellung „Gegenstand und Abstraktion“ einem großen Thema, man möchte behaupten einem übermächtigen Thema: der Skulptur. Den Begriff so uneingeschränkt zu verwenden mag anmaßend und unvorsichtig anmuten, sind doch die Formulierungen innerhalb dieser Kunstsparte unüberschaubar und deren Definitionen mannigfaltig. Längst haben sich intermediale Formen der Skulptur gebildet, die ins Installative bzw. ins Performative hinein reichen. Skulptur kann heute eine rein sprachliche Äußerung, ein Foto-Dokument oder sogar ein sozialer Prozess bzw. eine Handlung, sein.
Die moderne Skulptur – auf deren Tradition sich die Ausstellung „Gegenstand und Abstraktion“ bezieht – war von Beginn an geprägt von der Loslösung vom Anthropomorphen. Der Körper als jahrhundertealte Konstante innerhalb der Skulptur bekommt durch die Moderne ein anderes Aussehen oder verschwindet zur Gänze im Abstraktions- und Reduktionsprozess. Inspiration kam aber nicht nur von Naturformen, sondern viel mehr von neuen Entdeckungen innerhalb der Wissenschaft, der Philosophie oder der Technologie, woraus sich wiederum neue Fragen nach dem Material stellten. Materialien kommen ganz klassisch zum Einsatz – Bronze, Stein, Holz – aber auch eine spielerische Verwendung der Werkstoffe ist bis zum heutigen Tag innerhalb der Skulptur auffällig. Materialien werden in ihren Eigenschaften verstärkt, werden aber genauso entgegen ihrer Eigenschaften eingesetzt – sie können gleichsam einen physikalischen Zustand vortäuschen. Schwere oder Leichtigkeit, Kompaktheit oder Transparenz, Materialität und Immaterialität, wie beispielsweise in den Arbeiten von Edelgard Gerngross und Kurt Stadler. Auch die Präsentationsform der Skulptur am Sockel wurde und wird ständig bestätigt und gebrochen, aufgelöst und neu diskutiert. Bis der Sockel am Ende selbst zur Skulptur geworden ist.
Der Körper, wie auch der Gegenstand sind zwar durch die Prozesse der Abstraktion eliminiert worden, sie kehrten aber auf unterschiedlichste Weise wieder zurück. Die Erfindung der Readymades brachte den industriell gefertigten Alltagsgegenstand als reales Element in die Kunst ein. Die Folge war die Objektkunst, die wiederum an die vielfältige Frage des Materials anknüpft. Mit dem realen Objekt kam die Funktion, der Gebrauch des Gegenstands hinzu und somit erneut der Körper – als Handelnder. Erwin Wurm veranschaulicht dies in seinem Werk sehr eindrucksvoll, wenn er einen getragenen Mantel um einen Sockel drapiert. Die Absenz des Körpers wird kompensiert durch das Kleidungsstück als zum Körper gehörend und letztlich auch durch den Sockel als Ort, auf dem üblicherweise die Figur, die Statue, das Denkmal, das Monument steht.
Die Beispiele in der Ausstellung zeigen viele der angeführten Dynamiken und Prozesse sehr eindringlich. So sind die Werke Von Josef Pillhofer und Carl Prantl eminente Zeugnisse der Moderne. Abstraktion – sowohl des menschlichen Körpers als auch als Wert an sich – stehen dabei im Zentrum. Hans Kupelwieser, Michael Kienzer oder Kri Kammerhofer bedienen sich zwar bewusst solcher Formen, die aus dem klassisch modernen Repertoire bekannt sind, sie folgen aber einer andern Logik. Durch die Wahl des Materials und durch unterschiedliche Arbeitsverfahren, die aus dem Technologiebereich in die Kunst kommen, ergeben sich Bedeutungsverschiebungen bis hin ins Humoristische, wenn tektonisch aufeinandergestapeltes Knäckebrot in Bronze zum Beispiel für Probleme des Tragens und Lastens wird (Kammerhofer). Industriell geschnittenes Roheisen, biegbare Kunststoffe (Kupelwieser), aber auch Gebrauchsgegenstände in neuen Konfigurationen zusammengefügt (Kienzer), ergeben völlig neue Inhalte, rekurrieren aber auf die Errungenschaften der Moderne.
Günther Holler-Schuster