ARNULF RAINER

Eröffnung am Freitag, dem 14. März 2025, 19.00 Uhr

Galerie Reinisch, Hauptplatz Graz

Einführung: Manuela Schlossinger

Ausstellung bis 3. Mai 2025

(vom 9.4.-12.4. 2025 geschlossen)

Arnulf Rainer zählt zu den herausragenden Protagonisten der österreichischen Nachkriegskunst und nimmt mit seinem über sechs Jahrzehnte umfassenden Œuvre eine zentrale Stellung in der europäischen Kunstgeschichte ein. Sein Werk steht im Spannungsfeld zwischen gestischer Malerei, performativer Körperkunst und konzeptueller Appropriation. Als maßgeblicher Vertreter des österreichischen Informel entwickelte er eine radikale Bildsprache, die sich durch das Prinzip der Übermalung auszeichnet – ein künstlerisches Verfahren, das nicht nur als Akt der Zerstörung, sondern ebenso als Strategie der Neuschöpfung zu verstehen ist. Bereits in den 1950er-Jahren erlangte Rainer mit seinen Übermalungen internationale Beachtung. Insbesondere die Überarbeitung von Fotografien seines eigenen Körpers zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit Ausdrucksformen des Unbewussten und der Erweiterung des mimetischen Potenzials der menschlichen Gestik. Diese Werke, darunter die Face Farces und Body Poses, sind in einen kunsthistorischen Kontext zu stellen, der von Surrealismus, Automatismus und performativer Aktionskunst beeinflusst wurde. Mit den späteren Serien der Totenmasken und Fingermalereien radikalisierte Rainer seine künstlerische Methodik weiter und schuf bis zum Ende der 1980er-Jahre ein kompromisslos konsequentes Werk, das zwischen expressiver Geste und konzeptueller Reflexion oszilliert.

Ab den 1990er-Jahren verlagerte sich Rainers künstlerisches Interesse zunehmend auf kunsthistorische Bezüge, insbesondere auf die Malerei der italienischen Frührenaissance und die Werke der niederländischen Meister. Durch die Bearbeitung von Faksimile-Reproduktionen etablierte er eine dialogische Strategie, die Fragen nach Originalität, Autorschaft und künstlerischer Aneignung aufwarf. Diese Auseinandersetzung kulminierte in den 2010er-Jahren in den Werkreihen Klimt & SchieleAlte Meister sowie Bondage, die als sein Spätwerk gelten. In diesen Arbeiten tritt Rainers spezifische Form der Bildüberarbeitung in eine direkte Verbindung mit der Kunstgeschichte, wodurch sein Werk sich als vielschichtige Reflexion über die Materialität und Semantik des Bildes lesen lässt.

Neben seinen Unikaten spielte die Druckgrafik seit den späten 1950er-Jahren eine zentrale Rolle in seinem Schaffen. Insbesondere die Technik der Radierung entsprach seinem künstlerischen Konzept, da sie ihm durch den exzessiven Einsatz der Kaltnadel auf Kupferplatten eine expressive, destruktive und zugleich strukturierende Bildsprache ermöglichte. Die in der Grafik dominante gestische Linie – ein wesentliches Merkmal des Informel – wird bei Rainer zum zentralen Ausdrucksmittel: Durch die sukzessive Verdichtung von Strichen und Überlagerungen entstehen komplexe Texturen, die assoziative Formationen wie Landschaften, Körperfragmente oder archetypische Zeichen hervorrufen. Oft dienten ihm bestehende Bilder als Ausgangspunkt, die er durch Akzentuierung, Korrektur und Überarbeitung in neue Bedeutungskontexte überführte.

Innerhalb der Entwicklung der österreichischen Kunst nimmt Rainers Werk eine singuläre Stellung ein. Seine künstlerische Praxis steht an der Schnittstelle zwischen Malerei, Performance und Konzeptkunst und verbindet die wesentlichen Strömungen der Nachkriegsavantgarde – vom gestischen Automatismus des Informel über die radikalen Körperinszenierungen der Wiener Aktionisten bis hin zur reflexiven Aneignung kunsthistorischer Traditionen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Rainers Schaffen zwischen der Dekonstruktion des Bildbegriffs und der Erweiterung des Ausdrucksraums künstlerischer Geste.

Die Galerie Reinisch präsentiert in dieser Ausstellung Unikate und Grafiken von Arnulf Rainer aus über fünf Jahrzehnten, die die zentrale Rolle dieses Künstlers innerhalb der europäischen Kunstgeschichte eindrucksvoll veranschaulichen.

Manuela Schlossinger

Reinisch Contemporary