Levente Szücs
Augmented Nature
Eröffnung im Rahmen der Grazer Galerientage am Samstag, dem 14. Mai um 11.00 Uhr
Erweiterte Öffnungszeiten am Samstag, dem 14. Mai von 11.00 bis 16.00 Uhr und am Sonntag, dem 15. Mai von 11.00 bis 14.00 Uhr
Einführung: Günther Holler-Schuster
Ausstellungsdauer bis 11. Juni
Die Realität nur zu erfassen ist schon schwer genug, sie dann auch noch zu erweitern erst recht. Eine der diffizilsten und komplexesten Themenfelder innerhalb der Malerei bzw. der Kunst allgemein ist ihre Beziehung zur Realität. Allein bei der Transformation von Realität ins Bild, ergeben sich schon tiefgreifende Probleme. Wenn man dabei nur die beiden Pole „gegenständlich“ und „abstrakt“ verwendet, kommt man bei deren Lösung schwer weiter. Was ist also unsere Realität, wer konstruiert sie und wird sie überhaupt als Konstruktion wahrgenommen?
Levente Szücs, ein junger, in Düsseldorf und Wien lebender Maler, widmet seine Malerei diesen großen Fragen. Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt Levente Szücs in Ungarn. Die Tradition des „Sozialistischen Realismus“ ließ ihn das Handwerk des Malers akribisch erlernen. Sein Interesse galt bis zu seinem Wechsel nach Düsseldorf der gegenständlichen Abbildung der sichtbaren Wirklichkeit. Die abstrakte gestische Malerei als absoluter Gegenpol kam erst danach ins Spiel. Warum eines gegen das andere austauschen und nicht beides behalten? Das eine mit dem anderen zu ergänzen, zu verändern und zu etwas komplett Neuem werden lassen, dazu ist die Malerei von Levente Szücs im Stande. In sehr aufwändiger Technik hat der Künstler hyperrealistische Bilder – meist von Waldgebieten – auf die Bildfläche gebracht. Später hat er diese Malerei durch direkte Belichtung von Fotos auf dem mit Emulsion beschichteten Malgrund ersetzt. Die gestisch gesetzten Pinselstriche bedecken die Walddarstellungen teilweise. Übermalungen? Nein, Szücs malt die abstrakten Farbflecken vor den realistischen Passagen, er dreht das System der Übermalung gleichsam um. Er reagiert somit nicht auf ein bestehendes Bild, zerstört, ergänzt oder akzentuiert dieses, sondern seine Malerei stellt eine Lösung dar, die diese beiden Extrempole – Gegenständlichkeit und Abstraktion – gleichwertig einsetzt. Die vom Zufall geprägten Flecken und Spritzer helfen nicht das Bild eines tatsächlichen Waldes wiederzugeben. Sie können aber helfen den subjektiven Zugang des Wanderers, des Beschauers zu veranschaulichen.
„Augmented Reality“ nennt man eine digitale Erweiterung eines realen Zustandes. Dieses Prinzip setzt Levente Szücs in seiner Kunst ein. Es sind nicht grafische Linien, Texte, Sounds oder andere naheliegende Dinge und er benötigt dazu auch keinen Computer. Es ist Malerei kontra fotografisches Bild. Der Künstler scheint dem Publikum zuzurufen, es ist alles Konstruktion, vergiss die Wirklichkeit sie täuscht dich nur… Die Farbflecken sind, nebenbei betrachtet, ebenso Teil der Realität – nicht des Waldes, aber möglicherweise einer individuellen Seh- bzw. Wahrnehmungsweise. Sicher aber sind sie unteilbar und unverwechselbar ein Synonym für Malerei. Der Wald ist als Thema eines der bedeutungsvollsten der Malerei- und Kulturgeschichte. Gleichzeitig ist er Ort der Romantik, der Erholung, des Sinistren, des Bedrohlichen und Wohnung von allerlei Getiers und Wesen der Finsternis. Die informelle Malerei wiederum hat den heroischen Zugang, der den Maler zum Medium, zum Täter macht. Er kämpft sich durch das Dickicht (der Malerei) um dem Publikum von der erlebten Wirklichkeit zu berichten.
Wenn „Augmented Reality“ Orten oder Objekten zu einer erweiterten Realität verhilft, ist das im Prinzip das, was sie aus der Kunst gelernt hat. Dort wurden fast immer multidimensionale Erfahrungen und Interpretationen der Realität ausgelöst. Avancierte digitale Technologien ermöglichen es heute nicht nur Künstler*innen die Realität zu manipulieren. Entsprechende Apps auf dem Smartphone genügen auch dem Laien.
Levente Szücs positioniert sich als Maler sehr präzise in diesem Bedeutungsgeflecht. Verblüffend ist der Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Realitätswahrnehmung, wenn man diese Bilder sieht. Man wird sich erneut bewusst, in welch vagem Zustand sich unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit befindet.
Günther Holler-Schuster