Eröffnung der Ausstellung:
am 18. März 2022 um 19.00 Uhr
Galerie Reinisch, Hauptplatz 6, Graz
Um Anmeldung wird gebeten: +4369912381422
oder hr@reinisch-graz.com
Kurator und Einführung:
Günther Holler-Schuster
Der Künstler ist anwesend.
Ausstellung: 19.-29. März und 22.-30. April und nach Vereinbarung.
Joseph Marsteurer – Die Kunst der Fuge
Die Fuge, musikalisches Kompositionsprinzip polyphoner Mehrstimmigkeit oder Zwischenraum physikalischer Art zwischen zwei Teilbereichen, Bauteilen oder Materialien. Die Linguistik kennt die Fuge als jene Stelle, an der in Komposita die einzelnen Bestandteile aneinandergrenzen.
Josef Marsteurers künstlerische Arbeit kann man als forschend bezeichnen. Das bringt keine Negation der visuellen Erscheinung mit sich. So sehr sich diese Kunst auf das Konzeptionelle beruft, stellt sie sich doch opulent und visuell äußerst attraktiv dar. Man kann sich Kunst als ein System vorstellen, in dem ein Zusammenspiel von Einzelphänomenen vorherrscht. Die Theorie der Kunst versucht wenigstens seit der Renaissance, dieses System zu ergründen und Begrifflichkeiten einzuführen, die es erfassen sollen. Kunst kann Systeme entlarven, überspitzen, in neue Modelle transformieren und auf diese Weise unsere Wahrnehmung der Welt infrage stellen.
Marsteurers Malerei geht davon aus, dass der Pinselstrich das Grundmodul der Malerei sei. Er ist die Vermittlung zwischen Farbe und Motiv, er ist üblicherweise der treueste Diener der Darstellung bzw. der Illusion. Ist er verabsolutiert und isoliert, wird er selbst zum Bild und funktioniert im Detail genauso wie das System im Ganzen. Marsteurer produziert seit Jahren schon Pinselstriche, dokumentiert und archiviert sie und hält sie für spätere Verwendungen bereit. Diese Grundlagen der Malerei, auf Folien aufgebracht, können jederzeit und auf unterschiedlichen Orten zum Einsatz kommen. Man kann sie beliebig auf glatte Oberflächen – Platten, Folien, Röhren, etc. – aufbringen, die man in der Folge in neue Formzusammenhänge führen kann.
Der innerhalb der Malerei begonnene Prozess ist damit in den Kontext der Skulptur eingetreten. Biegen und Verformen sind Methoden der Bildhauerei, nicht der Malerei. Josef Marsteurer stellt diesmal konsequenterweise auch monumentale plastische Gebilde vor, die vegetabilen Formen gleichen, aber auch als völlig abstrakte dreidimensionale Malereien definiert werden können. Die Zwischenräume, sowohl der Begriffswelt als auch der konkreten Möglichkeiten der Materialisierung, sind für den Künstler interessant. Wenn man es will, bieten Marsteurers Werke Modelle der Malereitheorie, ohne dass man sie als solche begreifen muss. Bachs Fugen können letztlich als ästhetische Erlebnisse wirksam sein, ohne dass sich ihr komplexer theoretischer Aufbau als solcher vordrängt.
Günther Holler-Schuster