Eröffnung am Montag, dem 17. Oktober 2016, 19.00 Uhr
Einführung durch Günther Holler-Schuster
Ausstellung: 18. Oktober bis 19. November 2016
Die Galerie Reinisch Contemporary zeigt in dieser Ausstellung neue Arbeiten von Herbert Brandl und stellt gleichzeitig erstmals in größerem Umfang Werke von Edelgard Gerngross vor. Die beiden Positionen, die auf den ersten Blick wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, entwickeln in der Zusammensicht aber erstaunliche Verwandtschaften. Diese liegen keinesfalls in ihrer formalen Ausrichtung. Vielmehr kommentieren sie einander und führen Sichtweisen und Wahrnehmungsstrukturen zueinander.
Brandls Serie von Kleinformaten, gemalt in Chinesischer Tusche, verfolgt zunächst das Ziel der abstrakt-gestischen Malerei. Die Tusche als sehr flüssiges Material unterstützt den transparenten Charakter der Gestaltung und erzeugt durch die kompakte, auffallend glänzende Lackschicht der Oberfläche eine verblüffende Dreidimensionalität im Bild. Wie in Schichten baut sich eine Konfiguration auf, die wir als das Bild erkennen. Es mögen Erinnerungen an Landschaften entstehen. Diese sind jedoch keine abbildhaften Wiederholungen oder emotionale Nachempfindungen aus der Wirklichkeit. Vielmehr scheinen sich Entwicklungsprozesse, die der Natur entnommen sind, zu kristallisieren, bzw. zu festigen. Ein Prozess aus der Natur im Moment eingefroren.
Ähnlich funktionieren die Textilobjekte von Edelgard Gerngross. Das weiche Material des Textils, das üblicherweise den Körper bzw. der Haut am nächsten ist, wird zum Zeugnis emotionaler wie sozialer Vorgänge. Die von der Künstlerin verwendeten gegensätzlichen Materialien (Wolle, Stein, Holz, Draht, Heu, Fundstücke aus der Natur) unterstreichen in ihrer Fragilität des Werkstoffes auch die menschliche Zerbrechlichkeit durch psychische Bedingtheiten. Hoch aufragend, weit ausgespannt, aufs kleinste verdichtet oder als Bild lesbar entwickeln sich die skulpturalen Strukturen im Raum. Ihre Unbestimmtheit – Bild oder Objekt – haben die Objekte von Edelgard Gerngross mit den Bildern Brandl gemeinsam. Auch dort scheint ein momentaner, durchaus emotionaler Zustand – der der Naturwahrnehmung – im Prozess angehalten und im Bild materialisiert zu sein. Die glänzende, harte Oberfläche der Gemälde unterstützt sowohl den Objektcharakter der Bilder als auch deren Bildhaftigkeit. Unter der transparenten, gläsernen Oberfläche scheinen die grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten der Malerei und der Natur gleichermaßen ineinander zu fließen bzw. zu wuchern. Man kann sich den Künstler als Staunenden vorstellen, der Prozesse beobachtet und deren Selbsttätigkeit von Zeit zu Zeit zu stoppen versucht. Dabei wird nicht klar, ob die Landschaft im Bild gerade im Aufbau begriffen ist, oder gerade zerfließt oder verweht wird. Die Flüchtigkeit des visuellen Eindrucks, der sich an der glänzenden Oberfläche mit dem Spiegelbild der Realität verbindet, wird zum Perpetuum Mobile der Existenz im Allgemeinen.
Die textilen Objekte folgen gleichsam diesem Transformationsprozess. Erstarrt im Einen die Flüssigkeit zur Fläche und wird zum Bild, so baut sich im Anderen der Faden, die Linie zum Objekt auf und manifestiert sich im Raum. Herbert Brandl und Edelgard Gerngross entwickeln in diesem sensiblen Zusammenspiel von Bild und Objekt eine emotionale Landschaft, die das Publikum Schritt für Schritt in die eigene Intimität geleitet und im „Wühlen der Gefühle“ zurücklässt.
Günther Holler-Schuster