Eröffnung am Montag, dem 22. Oktober 2018,
19.00 Uhr am Haupplatz 6, Graz
Einführung durch Günther Holler-Schuster
Ausstellungsdauer bis 17. November 2018
verlängert bis 20. November 2018

Die Definition des Abstrakten innerhalb der Kunst ist heute vielfältig wie noch nie zuvor. Die klassischen Formen wie Naturabstraktion, geometrische Abstraktion oder lyrische Abstraktion sind weitgehend durchdekliniert und haben längst neue Formulierungen und Bedeutungen gefunden. Im Zusammenhang mit der digitalen Entwicklung hat das Visuelle eine explosionsartige Erweiterung erfahren. Erzählungen, Realitätsberichte, Inhalte jeder Art sind inflationär zugänglich und überschwemmen gleichsam unsere Wahrnehmungskanäle. Nichts ist mehr fern – weder zeitlich noch räumlich, Inhalte überlagern einander und bekommen in anderen Kontexten neue Bedeutungsebenen. So auch das Abstrakte.
Herbert Brandls Kunst lässt sich von ihrem Beginn an zwischen gegenständlicher Lesbarkeit und Abstraktion verstehen. Doch wird man mit diesem Begriffspaar allein zu allgemein greifen, vieles nicht erfassen. Dem Künstler scheint die Beliebigkeit des Abstrakten zu stark zu sein, um sie als reine emotionale Ausbrüche in sinnlichen Farbräuschen beginnen und enden zu lassen. Gezielt sind es immer wieder Landschaften, Berge, Blumen, Tiere, die in unterschiedlichen Verwandlungsstufen in seinen Bildern auftreten und Narrationen andeuten, aber auch grundsätzliche Kritik formulieren.

„Raubtierkapitalismus“ nennt Herbert Brandl seine aktuelle Ausstellung bei Reinisch Contemporary. Großskulpturen und hochglänzende Preziosen, die man als Gemälde bezeichnen könnte, bestimmen das Szenario der Ausstellung. Die gegenstandslosen, grellbunten Bilder führen assoziativ in unterschiedliche Erzählzusammenhänge, die allesamt nur durch Titel angedeutet bleiben, etwas evozieren, das möglicherweise nur als flüchtiger Gedanke vorhanden ist bzw. in eine Erzählung hineinführen, deren Verlauf das Publikum selber weiterimaginieren kann. Die überdimensionalen Metallmonster – durchaus bekannt aus früheren Gemälden (Hyänen) des Künstlers – scheinen Wirklichkeit geworden zu sein. Sie bilden Wächterfiguren, die die Malerei hier als imaginären Schatz verteidigen.

Gleichzeitig bietet die gesamte Ausstellung einen installativen bühnenartigen Erlebnisraum – eine Höhle, in die einzudringen wohl die kulturelle Unumstößlichkeit der Malerei gefährdet…

Brandl geht in seiner skulpturalen Arbeit ähnlich intuitiv vor wie in der Malerei. Diese Skulpturen können somit als dreidimesionale Malerei begriffen werden. Das formale Crossover verbindet sich mit dem inhaltlichen – Abstraktion geht in Gegenständlichkeit über, Zweidimensionales in Dreidimensionales und inhaltliche Ebenen schließen sich zu neuen Assoziationen zusammen.

Die suggestive Kraft des Wortes – wie sie auch im Titel „Raubtierkapitalismus“ erlebt wird – verstört, verunsichert und treibt das Spiel zwischen Künstler und Publikum weiter ins Mysteriöse. Eine Frage scheint hier im Raum zu stehen: Ist die Kunst hier Anklage oder ist sie grundsätzlich Ausdruck radikaler Gewinnmaximierung?

Günther Holler-Schuster

 

Reinisch Contemporary