6. Mai-8. Juni 2013
Die beiden ursprünglich aus Kasachstan stammenden, jetzt in Düsseldorf lebenden und an der dortigen Akademie bei Herbert Brandl studierenden Zwillingsschwestern Irina und Marina Fabrizius beschäftigen sich in ihrer Kunst mit einem der grundsätzlichsten und ältesten Topoi der Malerei – dem Licht. Natürliches Licht, abhängig von Jahres- und Tagezeiten sowie künstliches Licht, vom Kerzenlicht bis zum Monitorlicht, bestimmen grundsätzlich die Darstellung der sichtbaren Welt. Licht ist somit die Basis des visuellen Wahrnehmens.
Nordlicht, Sonnenunter- und aufgang, Morgenröte, Blitze und diverse andere Wetter- bzw. Klimaerscheinungen zeichnen sich oft eindrucksvoll am Himmel ab. Das Firmament wird so zur gigantischen Projektionsfläche, die das Schauspiel Natur begleitet bzw. es überhaupt zu einem solchen werden lässt.
Die Schwestern Fabrizius, die gemeinsam an ihren Bildern arbeiten, sind nicht so sehr interessiert an der Art und Weise, wie sich die Landschaft oder die Gegenstände in einer bestimmten Lichtsituation zeigen, sondern sie fokussieren auf das immaterielle Bild, das dem Licht selbst eigen ist. In unzähligen Farbschichten erreichen sie einen Zustand im Bild, der scheinbar nicht mehr benennbar ist. Ob man Mark Rothkos spirituelle Farbräume oder die Mehrschichtlackierungen der amerikanischen „Lowrider“ vor Augen hat, fast immer ist es der immaterielle Farbraum, der sich in einer Form des Bildes manifestiert. Der direkte Einsatz von Licht, bspw. bei James Turrell oder Dan Flavin, ist zweifellos auch natürlichen Ursprungs, trotzdem entsteht aber der Eindruck der Projektion, des Bildes. Die technischen Bildmedien wie Computer, Video, Film und Foto haben den Prozess der Bildwerdung von Natur massiv unterstützt.
Somit kann man heute zu dem Schluss kommen, dass die Welt zum Bild geworden ist und wir uns gleichsam in einem Zustand des Imaginativen bewegen, wenn wir von Natur sprechen.
Die ästhetische Einstellung richtet sich grundsätzlich auf den sinnlich wahrnehmbaren Bereich der lebensweltlichen Wirklichkeit des Menschen, der ohne sein Zutun entstanden ist und entsteht. In der Konsequenz wird die Natur durch Ästhetisierung zu einem Stück äußerer Welt, das so erscheint, als hätte es nun die innere Artikuliertheit von Kunstwerken. Der sinnliche Zusammenhang der natürlichen Szene bzw. des natürlichen Objekts wird zu einem Sinngefüge neuer Art – wird zum bildsinnlichen Zeichen im Stil der Kunst.
Dieser Transformationsvorgang von tatsächlicher Realität ins Bild wird im malerischen Werk der Schwestern Fabrizius eindrucksvoll sichtbar. Licht in natürlicher Form als Projektionsbild am Himmel ist dabei als Ausgangspunkt entscheidend. In der Ausschnitthaftigkeit und der scheinbar materiellen Unentschiedenheit zwischen Malerei und Fotografie entsteht das Bild, das plötzlich nur mehr eine Erinnerung an den ursprünglichen Sinnzusammenhang der tatsächlichen Naturerscheinung ist.
Fabrizius² scheinen uns mitteilen zu wollen, dass unser Naturverständnis von der Vorstellung einer Bildrealität bestimmt ist und wir uns nicht zuletzt deswegen, auch die Natur als Bild zurichten. Damit wird sie erfassbar, kategorisierbar und als Lebens- und Erholungsraum erfahrbar.
Günther Holler-Schuster