16. September – 12. Oktober 2013
*Der Titel stammt vom gleichnamigen Gedicht Alfred Klinkans aus dem Jahre 1978
Vor knapp 20 Jahren starb überraschend Alfred Klinkan. Er war ein künstlerischer Einzelgänger und Außenseiter. Bereits in den frühen 1970er Jahren studierte er in Wien an der Akademie der bildenden Künste bei Mikl und Hollegha. Er setzte damals auf Malerei, was in Zeiten der Performance-, Konzept- und beginnenden Medienkunst bereits anachronistisch zu sein schien.
Die nahezu psychedelisch anmutenden Farbexplosionen der 1980er Jahre waren zu dieser Zeit zwar latent vorhanden, aber zunächst war Klinkan mit Experimenten beschäftigt, die sowohl malerische als auch konzeptuelle Überlegungen bündelten. Seine Affinität zur Literatur – er schrieb auch Gedichte und kurze Prosa – erweiterte zusätzlich noch den narrativen Gehalt in seinem Werk. Ein kindlicher Witz, der manchmal auch fast ins Obszöne kippen konnte, durchzog sein Werk von Beginn an. Erinnerungen an die Märchen- und Bilderbuchwelt der Kindheit und die intensive Beschäftigung mit Fabeln und Mythen unterstreicht die Vielfalt des Klinkanschen Kosmos.
Die Galerie Reinisch Contemporary zeigt jetzt Arbeiten des so früh verstorbenen Pioniers der „Neuen Malerei“. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Übergangsphase vom Konzeptuellen zum Malerischen. Seine Materialverwendung war in den 1970er Jahren sehr experimentell. Klinkan verwendet verschiedene bedruckte Papiere (Landkarten, Geschenkspapier, Schnittmuster) oder Bilder aus Illustrierten als Malgrund, zum Collagieren, aber auch als bereits bestehendes Gestaltungselement, das er zeichnerisch oder malerisch erweitert. Seiner überbordenden Kreativität ist es auch zuzuschreiben, dass er grundsätzlich alles was ihn umgeben hat, als Fläche bzw. Raum für Kunst angesehen hat. Alle Formen des Lebens, auch das Spiel mit den Kindern, geriet bei ihm zur Kunst – zur Performance, zum Konzept, zum Bild. Die doppelbödige Naivität und der damit verbundene Humor seiner Kunst, die sich in seinen späteren Gemälden noch weiter verdichten und ausformulieren werden, übertrugen sich selbstverständlich auf das reale Leben, das Klinkan oft auch als Story, als Comic oder überhaupt als Wunder begriff.
Seine koloristische Phase begann mit den 1980er Jahren, als er sich lange in Antwerpen aufhielt und dort auf die Kunst des Adrien Brouwer (1605-1638) stieß. Der Holländische Genremaler mit dem präzisen Blick auf des Volkes Schwächen, Lüste und Genüsse, die er in seinen Kleinformaten darstellte, verleiteten Klinkan dazu, die turbulente Szenerie Brouwers aufzunehmen und seinerseits im nahezu maßlosen Überformat wiederzugeben. Scheinbare Beiläufigkeiten und intime Szenen werden im Großformat erhöht und bekommen die Bedeutung, die sie in dem Moment für die Dargestellten haben. Die Auseinandersetzung mit dem Werk dieses „Künstlerkollegen“ war für Klinkan ein wesentlicher Impuls für seine weitere Vorgangsweise. Seine Farben werden immer greller und bunter. Er verwendet sehr viel Zeit und Energie, um am Material zu arbeiten – es in seiner Wirkung zu steigern. Wie ein Alchimist – eine Figur die ihn besonders faszinierte – versucht er dem Material die kostbarste Güte zu entlocken. Das Glühen und die immaterielle Leuchtkraft dieser typischen Bilder aus der ersten Hälfte der 1980er Jahre gehen auf diese exzessive Materialbehandlung zurück.
Aus heutiger Sicht ist Alfred Klinkan kein nostalgischer Maler, wie man Künstler seiner Art gerne wahrnimmt, sondern sein Zugang zum Medium Malerei ist viel aktueller als man es zuerst glauben möchte. Der hohe Grad an Experiment und Konzeptualität, seine Lust am Performativen, Poetischen und Kreativen im Allgemeinen ist weitestgehend ausgeprägt. Die ironische Distanz, die der Künstler sich selbst gegenüber hatte, übertrug sich auch auf das Medium Malerei. Klinkan scheint sich mit der Malerei eingelassen zu haben, gerade weil es sich dabei damals schon um etwas Anachronistisches handelte.
Die gegenwärtige Entwicklung innerhalb der Malerei mit ihren multimedialen und materialexperimentellen Ansätzen betrachtend, kann man Alfred Klinkan heute als höchst aktuelle Position wahrnehmen – vor allem sein frühes Werk wirkt verblüffend frisch und jung.
Diese Ausstellung in der Galerie Reinisch Contemporary versucht vor allem das Frühwerk Alfred Klinkans zu betonen, das sich sehr stark an konzeptuellen Methoden der Kunst orientiert. Seine Arbeiten auf Papier und seine Collagen bzw. auch die installativ eingesetzten Objektbilder, die wie Details aus Gemälden anmuten, zeigen einen höchst variantenreichen und nicht ausschließlich auf die traditionelle Malerei konzentrierten Künstler. Einige von Klinkans bekannten koloristischen Werken aus den 1980er Jahren werden hier auch zu sehen sein. Die meisten Arbeiten jedoch wurden sehr selten oder schon lange nicht mehr gezeigt – einige überhaupt noch nie. Somit bietet diese Ausstellung einen umfangreichen Blick auf einen bedeutenden Künstler, dessen Werk gerade heute angesichts der Entwicklung innerhalb des Mediums Malerei wieder verblüffend aktuell erscheint.
Günther Holler-Schuster