ERÖFFNUNG: 17. Oktober 2017, 19.00 Uhr Galerie Reinisch, Hauptplatz 6, Graz
EINFÜHRUNG: Günther Holler-Schuster
AUSSTELLUNGSDAUER: bis 11. November 2017
Brillanter Realismus, perfekte technische Ausführung und scheinbar simple Inhalte sind es, die den Betrachter in Christoph Schmidbergers Werk sofort magisch hineinziehen. Man kann sich der glanzvollen Oberfläche und der erst auf den zweiten Blick hintergründig wirkenden und verunsichernden Bildwelt kaum entziehen. Schnappschussartig und aus dem alltäglichen Leben entnommen erscheinen die Szenen in Schmidbergers Bildern. Jugendliche, Kinder, Landschaften, Blumen, religiöser Wallfahrtskitsch – all das meist in gleisendem Licht dargestellt – bilden die Hauptelemente in diesen idyllisch anmutenden Schilderungen des allzu Gewöhnlichen.
Es sind Buntstiftzeichnungen aus den letzten Jahren, die Christoph Schmidberger erstmals in der Galerie Reinisch Contemporary präsentiert. Der Künstler, der vor Kurzem erst die glamouröse Welt Hollywoods und den „endless summer“ Kaliforniens gegen die alpine Idylle der obersteirischen Einschicht eintauschte, präsentiert uns hier eine Bildwelt, die dem Hedonismus der 1990er Jahre entsprungen zu sein scheint. Unter der strahlenden Sonne Kaliforniens sind die Erinnerungen blass geworden. Schonungslos mutet das grelle Licht an – alles zeigend, verhüllt es doch den Abgrund, in den dieser Alltag gleich stürzen wird bzw. dem seine Protagonisten entsprungen erscheinen. Hohe Emotionalität, schwüle Erotik und der unmittelbar bevorstehende oder eben erst stattgefunden habende Tabubruch kündigen sich an bzw. bestimmen die Atmosphäre dieser Bilder. Das Tabu bezeichnet einen Punkt, an dem die erotische Energie sich zusammenballt und eine neue Qualität erreicht, meinte Georges Bataille. Im Moment der Schönheit wird die Tragödie plötzlich spürbar.
Schmidbergers Bilder gehen meist aus intensiven Fotositzungen hervor, in denen der Künstler die Szenen genau konstruiert. Es sind Klischeevorstellungen, die den inflationären Medien- und Werbebildern genauso zu entspringen scheinen, wie den verbreiteten Bildmustern einer allgemeinen, privaten Schnappschussästhetik oder den gängigen Bildvorstellungen der Kunstgeschichte. In diesem Fall ist es egal, ob ein junger Mann einen kleinen Knaben im Arm hält, oder eine junge Frau – man erinnert sich an die unzähligen stereotypen Madonnendarstellungen der Kunstgeschichte. So trägt die religiöse Komponente zusätzlich zur Verklärung der Szenerien bei und lässt Schmidbergers Realismus als einen magischen erscheinen. Es ist keinesfalls die sichtbare Welt, die der Künstler abbilden will. Vielmehr bringen seine Bilder eine andere, eine eigene Form von Leben hervor, indem sie das Alltägliche mit dem Grausamen zu einer Metaebene verschmelzen. Damit verlieren die Dargestellten auch ihre zur Schau gestellte Unschuld. Ähnlich wie der Glanz der Oberfläche in Schmidbergers Bildern oft in seiner fragmentarischen Gestaltung brüchig wird, kippen die dargestellten Szenen in eine enigmatische Realität, die im Imaginären bleibt. Eine ganz bestimmte Erzählung scheint dem Ganzen zu Grunde zu liegen. Dessen Linearität ist aber nicht mehr entschlüsselbar. So bleiben Christoph Schmidbergers Bilder – egal ob Zeichnungen oder Gemälde – fragmentarische Splitter einer Erinnerung, Zeugnisse hoher Emotionalität und erotischer Aufgeladenheit.
Günther Holler-Schuster